Vortrag auf dem Zukunftskongress Kinder- und Jugendgesundheit in der wachsenden Stadt

Gestern war ich eingeladen als Referentin zum Zukunftskongress „Kinder- und Jugendmedizin in der wachsenden Stadt“ unter der Fragestellung „Bilden wir genügend Nachwuchs aus?“, organisiert von mehreren Organisationen der Kinder- und Jugendgesundheit. Ich habe über „Erste Erfahrungen mit der Umsetzung der Generalistischen Pflegeausbildung“ berichtet. Welche Probleme sind in der Umsetzung bereits gut bekannt, auf die die Politik schnell reagieren muss.

Zentrale Probleme sind die Sicherstellung aller Einsatzorte sowie der Praxisanleitung an allen Einsatzorten. Laut der generalistischen Pflegeausbildung müssen alle Auszubildenden Pflichteinsätze in der pädiatrischen Versorgung machen. Das verschärft ein altes Probleme der fehlenden Einsatzorte in diesem Versorgungsbereich. Für die praktischen Einsätze ist zudem eine Praxisanleitung von 10% gesetzlich vorgeschrieben, die aber viele praktische Träger Schwierigkeiten haben, sicherzustellen. Es gibt gute Beispiele, wo Träger mit zentralen und dezentralen Praxisanleitungen arbeiten. In ihren Häusern werden Stellenanteile genau für diese Aufgabe frei gestellt und Zulagen angeboten.

In der gestrigen Veranstaltung  wurde die Sicherstellung des Wahlrechts thematisiert. Die von mir gestellte parlamentarische Anfrage (https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-14594.pdf) hat bestätigt, dass nur drei Schulen eine Spezialisierung in Berlin anbieten. Ist eine Spezialisierung, die das Pflegeberufegesetz (PflBG) für das dritte Ausbildungsjahr als Option vorsieht, de facto gefährdet? Fachleute aus der Umsetzung verweisen in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten der Wahl einer Vertiefung. Der relativ flexible Rahmenplan der Generalistik lässt eine intensive Ausgestaltung mit vielen Stunden über die drei Jahre zu. Dazu gibt es gute Beispiele in der Praxis. Z.B. bietet das St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof einen Vertiefungseinsatz von über 1260 in der Kinderkrankenversorgung an. Die Generalistische Ausbildung sieht mindestens 500 Stunden im dritten Ausbildungsjahr vor. Es wird daher klar, dass Vertiefung nicht gleich Vertiefung bedeutet. Auch die theoretische Ausbildung in den Pflegeschulen dürfte schwerlich 1:1 vergleichbar sein. Auch wenn die Flexibilität bei einem generalistischem Ansatz bewusst gewählt ist, bedeutet es für die Umsetzung jedoch eine Herausforderung. Ziel muss es sein, dass Absolvent*innen eine gute Basis haben, Methoden gelernt haben und gut exemplarisch arbeiten können. Doch was ist mit der fachlichen Tiefe? Wie weit wird sie fehlen, wenn kein oder ein unzureichender Vertiefungseinsatz stattgefunden hat? Wenn Vertiefungen erst nach der Ausbildung nachgeholt werden, müssen dringend Konzepte zur fachlichen Einarbeitung nach der Ausbildung bei zukünftigen Arbeitgeber*innen zum Standard und sichergestellt werden. Das gilt auch für gute Weiterbildungsmöglichkeiten. Und gerade Weiter- und Fortbildung müssen sich für die Fachkraft lohnen, d.h. mehr Geld, klar definierte Aufgaben und mehr Eigenständigkeit. Die Attraktivität und die Perspektiven der Pflegeberufe müssen klar ersichtlich werden. Wir brauchen insgesamt ein gestuftes und durchlässiges Bildungssystem der Pflegeberufe. Dafür müssen wir die Teilakademisierung fördern mit verbindlichen Quoten, etablierten und klar definierten Einsatzgebieten für diese, und vor allen schnell die Regelung der Vergütung des Pflegestudiums umsetzen. Für viele Maßnahmen braucht es sicherlich den Bund. Es gibt genug Rückmeldungen und Erkenntnisse, wo die Umsetzungsprobleme liegen. Es müssen dringend mehr Einsatzorte in allen Versorgungsbereichen geschaffen werden, gerade auch in der ambulanten Versorgung. Gerade weil die Länder näher an der Umsetzung sind, ist es zu wenig, reflexartig mit dem Finger auf dem Bund zu zeigen. Angesprochen auf die o.g. Umsetzungsproblem, antwortete mir der Senat in meiner Anfrage, dass zur Umsetzung Daten und Erkenntnisse fehlen würden. Allerdings beteuert der Senat, dass er sich für die Vertiefung stark mache, ohne sagen zu können, wie. Auf welcher Grundlage soll das passieren, wenn in derselben parlamentarischen Anfrage geantwortet wird, dass es keine Erkenntnisse zu Vertiefungseinsätzen gebe. Dem ist aber auch nicht so, es gibt ausreichend Erkenntnisse, zu Herausforderungen bei der Sicherstellung der Vertiefungseinsätze, genauso wie bei der Sicherstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Praxisanleitung. Auch der aktuelle schwarz-rote Koalitionsvertrag reflektiert Null die Umsetzungsprobleme der Pflegeausbildung. Wenn wir aber in der Umsetzung nicht besser werden, Erfolgsmodelle/Lösungsansätze nicht fördern und kommunizieren, können wir uns (oberflächliche) Kampagnen sparen. Aufgrund des demographischen Wandels und der Konkurrenz um Fachkräfte ist eine gute Umsetzung der Pflegeausbildung und damit das Halten der Fachkräfte und Auszubildenden erst Recht von größerer Bedeutung. 

Ich danke den verschiedenen Organisator*innen der Veranstaltung, dem VLKKD, dem BVKJ, dem BGKJ und der Initiative der Berliner Kinderkliniken für die Einladung und den Austausch zu diesem aktuellen und sehr wichtigen Thema.